Die Millionenstadt Bangalore wurde in Europa in den 90er Jahren zum
Synonym für das moderne Indien. Hier siedelte sich die nationale und internationle Softwareindustrie an,
Bangalore wurde bekannt als indisches Silikon Valley
und zukunftsträchtiger Standort für high-tech. Mittlerweile
spielt Bangalore, wo eine Zeit lang dem Hörensagen nach die weltweit meiste Software geschrieben wurde, hier eine untergeordnete Rolle,
Technologiekonzerne weiche auf Städte mit besserer Infrastruktur wie Hyderabad aus. Dafür boomt hier zwischenzeitlich die
Callcenter-Industrie, die internationale Konzerne nach
Bangalore verlegen.
Auf unserer Suche nach den Kontrasten des Landes darf diese Stadt, die das moderne Indien verheißt, nicht fehlen,
von der hochtechnisierten Industrie des Landes haben wir bisher nicht zu sehen bekommen. Wir kommen am frühen Morgen
mit dem Zug an, der erste Eindruck ist nicht gerade der einer modernen Stadt. Bangalore wirkt wie jede beliebige Großstadt
Indiens und macht in der Umgebung des Bahnhofs einen eher heruntergekommenen und schmuddeligen Eindruck, eine
einzige Betonwüste.
Nach zähen Verhandlungen nehmen wir eine Rikscha quer durch die Stadt und finden nach einiger Suche ein Hotel in Nähe
des Geschäftszentrums.
Uns ist erstmal nach einem Frühstück, also brechen wir auf in die Umgebung. Hier sind einige
Sträßenzüge, in denen sich das moderne Bangalore mit noblen Geschäften und
Shopping-Malls präsentiert. Um diese Zeit wirkt das
aber eher trist, alle Geschäfte sind geschlossen und statt Kaffee bekommen wir nur verbeulte Rolläden zu sehen.
Die Geschäftigkeit anderer Städte, die früh zum Leben erwachen, fehlt in diesem Viertel völlig, hier
öffnen die Läden erst um neun oder später, ganz wie zu Hause.
Schließlich verschmähen wir eine geöffnete Filiale einer ausländischen Kaffekette, die uns
doch etwas übertreiben teuer erscheint und finden ein kleines Café. Da heisst es warten, die zahlreichen
Angestellten brauchen ziemlich lange, um den Laden betriebsbreit zu bekommen.
Nachdem wird uns erstmal mit Kaffee beleben konnten, geht es weiter zu einem richtigen Supermarkt. Sowas ist in Indien selbst in den
Großstädten eher eine Seltenheit. Wir erwerben frische Backwaren und decken und für zu Hause noch mit allerlei
Kleinigkeiten ein. Unter anderem kaufe ich kandierte Fenchelsamen, die in den meisten Restaurants nach dem Essen zur
Atemerfrischung gereicht werden.
Auf dem Programm in Bangalore stehen "Kontraste", die es hier wirklich zu Hauf gibt:
"Garden City" und unglaublicher
Smog und Verkehr; Glaspaläste und Slums; Edelboutiquen und Müllhaufen;
Diskogänger mit Handys und Bettler...
Wir mieten für den Nachmittag eine Rikscha, was uns günstige 150 RS kostet. Hier fahren übrigens Rikschas
mit funktionsfähigem Taxamater und wir sind doch etwas überrascht, wie billig eine solche Fahrt sein kann. Unser
Ziel ist "Electronic City", ein großes Viertel am Stadtrand,
wo die High-Tech Industrie angesiedelt ist. Dort stehen die modernen Paläste bekannter Firmen wie Dell, SAP und anderer.
Diese wirken in der Umgebung teils etwas deplaziert, auf den staubigen Straßen davor findet das "normale" Leben mit
Verkaufsbuden und chaotischem Verkehr statt.
Zwischen den eleganten Glastürmen stehen Zelte und Wellblechhütten, in denen die Wanderarbeiter mit ihren Familien wohnen.
Diese errichten mit oft einfachsten Mitteln die Firmengebäude. Frauen in den typischen bunten Saris bringen Baumaterial in Körben,
Arbeiter in Sandalen turnen auf Bambusgerüsten und ziehen Mörtel mit Flaschenzügen in luftige Höhen. Es ist einfach
schwer vorstellbar, wie hier in Handarbeit Hochhäuser gebaut werden. Menschliche Arbeitskraft ist unglaublich billig, die Arbeiter
verdienen etwa 2 US$ täglich. Für sie ist das allerdings eine sehr gute Bezahlung, Klagen hören wir in Gesprächen
mit den Arbeiterfamilien gar nicht. Die Eindrücke bleiben zwiespältig, Arbeiter die unter aus europäischer
Sicht menschenunwürdigen Bedingungen auf den Baustellen hausen, "ausgebeutet" von reichen multinationalen Konzernen,
andererseits aber froh, diese Arbeit zu haben, mit der sie besser existieren als je zuvor in ihrem Leben.
Wir verlassen das moderne Indien und kehren zurück ins Stadtzentrum. Unser Fahrer kennt einen guten Laden, wo leckere Dosa serviert werden. Als Ausgleich für die günstige Miete der Rikscha möchte er uns dann zu einigen Geschäften fahren, der Provision halber, was zu erwarten war. Wir tun ihm den Gefallen, sehen uns auf die schnelle ein paar teure Souvenirshops an, das muss dann aber auch reichen. Irgendwann gibt dann das Fahrzeug seinen Geist auf und wir müssen zu einem Kollegen umsteigen.
Bereits in Deutschland hatten wir über einen Verein Kontakte zu der katholischen
Organisation Masard, die in Bangalore unter anderem ein Waisenhaus betreibt und mit Spenden auch aus Deutschland
Sozialarbeit in den Slums leistet. Wir fahren zu dem besagten Waisenhaus, was sich allerdings als etwas kompliziert
erweist. Die Adresse, die wir bekommen haben, enthält einen Fehler, so dass wir lange vergeblich durch das Viertel am
Stadtrand fahren, wo uns auch niemand so recht weiterhelfen kann. Erst ein Anruf im Büro der
Organisation bringt Hilfe in Form der Sozialarbeiterin Elizabeth, die uns an einer Kreuzung einsammelt und mit uns
gemeinsam zum Haus fährt.
Wir haben einige Spenden für das Waisenhaus im Gepäck und bekommen einen Einblick in die Arbeit dort. Das
Haus ist sehr einfach ausgestattet, aber auch hier wird engagiert gearbeitet, wie wir das schon oft in ähnlichen
Projekten sehen konnten. Bildung ist auch hier das zentrale Thema, dadurch soll den Kindern eine bessere Zukunft
ermöglicht werden. Die Einrichtung des Hauses ist recht spartanisch, es gibt einfache Schlafsääle und
einen Gemeinschaftsraum mit Fernseher, natürlich eine eigene K¨che und vor dem Haus einen neunen aus Spenden
finanzierten Spielplatz. Dort haben die Kinde reinigen Spass mit uns und führen Kunststücke auf den
Klettergerüsten vor. Dringend wäre eine Erweiterung des Gebäudes, eine zusätzliche Etage ist
vorgesehen aber bisher nicht zu bezahlen.
Ein interessantes Projekt wird von der Einrichtung betrieben. Per Solarzellen werden große Akkulampen
aufgeladen, die dann abends gegen einen kleinen Obulus an die Straßenhändler vermietet werden. Das
sichert dem Haus zumindest ein paar regelmäßige Einnahmen.
In den kommenden Tagen besuchen wir das Haus ein weiteres Mal und auch das Büro in der Stadt.
Wir erfahren noch einiges über die Arbeit von Masard. In den ländlichen Gebieten ist man
auch tätig, unter anderem mit Mikrokrediten, um die Landflucht zu vermeiden und den Menschen dort eine
Lebensgrundlage und Perspektive zu schaffen. Sonst strömen immer mehr in die Slums der Großstädte.
Gemeinsam mit dem Direktor der Organisation besuchen wir den größten Slum von Bangalore, wo
etwa 45.000 Menschen leben. Es ist eins von über 400 Elendsvierteln in der Stadt. Hilfe ist nur
punktuell möglich, auch hier ist Masard überwiegend für Waisen und Halbwaisen tätig.
Zwischenzeitlich entsteht ein kleiner Tumult und wir sind von einigen recht aufgebrachten Leuten umgeben, ohne
zunächst zu wissen, was los ist. Nachher klärt sich das auf, nicht wir waren der Stein des Anstosses,
sondern einfach ein Empfinden von Ungerechtigkeit, dass eben nur manchen in den Slums geholfen wird, obwohl es
doch fast allen schlecht geht − verständlich, aber mehr ist einfach nicht leistbar. Als wir später
zurück im Waisenhaus sind, kommt noch eine "Delegation" aus dem Slum vorbei und entschuldigt das
schlechte Benehmen ihrer Nachbarn, uns ist das alles schon unangenehm, aber die Dinge sind wieder in Ordnung.
Die Arbeit mit den Ärmsten hier hat und wieder sehr beeindruckt. Mit relativ wenig lässt sich eine
Menge ausrichten, der Bau eines festen Hauses in den Slums, das nicht bei jedem Hochwasser überschwemmt wird
und zwei Familien Platz bietet, kostet etwa 400 bis 600 Euro. Dabei muss man allerdings im Kopf haben, dass es
nicht viel staatliche Unterstützung für Hilfsprojekte dieser Art gibt.
Der Schulbesuch kostet jährlich um die 200 Euro, das ist für die meisten kaum leistbar. Gerade in
Bangalore haben es die Armen schwer, die Preise sind recht hoch weil es andererseits viele gut verdienende gibt.
Weiteres gibt es über Bangalore nicht zu berichten. Wir haben uns noch den
botanischen Garten angesehen, wo Sonntags Familien spazieren ganz wie zu Hause, dazu gibt es Musik und
Verkaufsstände, wo sogar Zuckerwatte angeboten wird. Hier vergnügen sich die eher gut situierten.
Für die Weiterfahrt hatten wir eigentlich den Zug nach Channai eingeplant, der aber leider schon Tage vorher
ausgebucht war. Alternativ bekommen wir einen Billigflug für gerade mal 15 Euro angeboten. Im nachhinein
lese ich wenig lobenswertes über Air Deccan, wir kommen aber gut und zuverlässig ans Ziel.
Via Chennai geht es weiter nach Mahabalipuram